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The International Society for Military Ethics in Europe
Leadership. Ethics. Service.

Es ist selten, dass ein Ereignis, welches eng mit dem Thema Militärethik verbunden ist, weltweit Schlagzeilen macht. Wenn dies geschieht, liegt dies meistens daran, dass etwas katastrophal schief gelaufen ist, so dass selbst diejenigen, die außerhalb eines militärischen Umfelds leben und arbeiten, wirklich schockiert und besorgt sind.

Die kürzlich bekannt gewordene Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung des Brereton-Berichts durch die australischen Streitkräfte zu „Fragen des rechtswidrigen Verhaltens in Bezug auf die Task Group für Sondereinsätze in Afghanistan“ war ein solches Ereignis[1].

Brereton Report cover

Der Auslöser für den Bericht waren Vorwürfe, welche die Militärsoziologin Dr. Samantha Crompvoets im Jahr 2016 erhob, als sie eine (nicht mit dem Bericht verbundene) Studie über die Kultur australischer Spezialeinheiten erstellte. Die Untersuchung mit Auswertung von über 20.000 Dokumenten und 25.000 Bildern dauerte vier Jahre und verwertete 510 Interviews mit 423 Zeugen. Der Bericht selbst umfasst weit über 400 Seiten.

Die ernüchternde Schlussfolgerung des Berichts lautet, dass es über einen längeren Zeitraum „glaubwürdige Informationen gab, die 23 Vorfälle von mutmaßlicher rechtswidriger Tötung von 39 Personen durch 25 Angehörige der australischen Spezialkräfte, vorwiegend vom Special Air Service Regiment, belegen“’[2]. Obwohl ein Großteil des Materials im Bericht aus rechtlichen, Sicherheits- oder Datenschutzgründen "geschwärzt" wurde, handelt es sich tatsächlich um eine gründliche Untersuchung der Vorwürfe betreffend dieses illegalen Verhaltens.

Obwohl ich hier der Kürze halber grob formuliere, befasst sich der Großteil des Berichts notwendigerweise mit der Frage, ob die Anschuldigungen tatsächlich begründet waren. Ich möchte Sie deshalb besonders auf Anhang A[3] zum Bericht aufmerksam machen, in dem die wahrscheinlich zugrunde liegenden unmittelbaren Ursachen des Fehlverhaltens und die Maßnahmen zur Verhinderung eines erneuten Auftretens genauer erläutert werden. Diese Anlage A wurde von Professor Dr. David Whetham recherchiert und verfasst, der zu diesem Zweck zum Beigeordneten Stellvertreter des Generalinspekteurs der australischen Streitkräfte ernannt wurde und der neben anderen Tätigkeiten ein Mitbegründer und Vizepräsident von Euro-ISME ist.

Anhang A beschreibt die Umstände, unter denen eine Eliteeinheit von der Einhaltung der Gesetze des bewaffneten Konflikts in einem solchen Ausmaß abwich, dass verbrecherische Verhaltensweisen institutionalisiert wurden. Anhang A legt nahe, dass es dafür eine Reihe miteinander verbundener Gründe gab. Dazu gehören die unvermeidliche Geheimhaltung bei Operationen der Spezialeinheiten, der Elite-Status des beteiligten Personals, der sie zu der Annahme veranlasste, dass für sie keine „normalen“ Regeln gelten (ein Gefühl, das wohl zusätzlich durch die Überzeugung verstärkt wurde, dass einige ihrer Aufträge besser von weniger gut ausgebildeten Soldaten hätten ausgeführt werden können) und eine Hierarchie, die nicht sehr neugierig war, um es gelinde auszudrücken. Ich möchte Sie alle dringend bitten, diesen Anhang A -->> hier vollständig zu lesen.

Was ich hier tun möchte, ist, die grundlegende Bedeutung von zwei der Schlüsselthemen besonders hervorzuheben, die sich aus Anhang A ergeben : Führungskultur sowie Erziehung und Ausbildung.

Ein Großteil des Prozesses, der unweigerlich auf die Veröffentlichung des Berichts folgen wird, wird sich auf die Führungskultur (oder das Fehlen von Führung) auf Einheitsebene konzentrieren. Diejenigen, die die gefährlichsten und anspruchsvollsten Aufträge ausführen müssen, verdienen jedoch eine tadellose Führung durch höhere Befehlsebenen. Bei unseren Euro-ISME-Konferenzen ist „Führungskultur“ wahrscheinlich das am häufigsten im Zusammenhang mit Ethik gehörte Wort, und das nicht ohne Grund. Sie ist die unabdingbare Voraussetzung sowohl für den militärischen Erfolg als auch für die Disziplin, die das Militär von den Aufständischen und Terroristen unterscheidet, gegen die sie in unserem Namen kämpfen.

Eine bessere Führung hätte sicherlich nicht nur dazu beigetragen, eine Kultur der Übergriffe zu verhindern, bevor es unerträglich wurde, sondern hätte auch dafür gesorgt, dass im Einsatzgebiet auf diejenigen gehört worden wäre, die (unter anderem) Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihrer Aufträge hatten. Es wurde zur Gewohnheit, ein Auge zudrücken und das war wohl ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Situation außer Kontrolle geriet. Falsche Loyalität, wie gut sie auch gemeint sein mag, ist keine Führungsqualität.

Erziehung und Ausbildung sowohl in ethischer als auch in kriegs- und völkerrechtlicher Hinsicht sind neben mutiger Führung der Hauptmechanismus, um ethisches Fehlverhalten im Gefecht zu minimieren. Kommandeure lassen ihre Untergebenen nicht ohne gründliche Ausbildung in (zum Beispiel) der Bedienung und Wartung von Waffensystemen oder zum Überleben in einem feindlichen Umfeld in den Einsatz ziehen.

In der Vergangenheit wurde jedoch viel weniger Wert darauf gelegt, wie die realen ethischen Herausforderungen gemeistert werden, denen sich das Personal im Einsatz gegenüber sieht und bei denen die Entscheidungsfindung zunehmend auf relativ niedrige Dienstgrade verlagert wird (wie dies insbesondere bei Spezialeinheiten häufig der Fall ist). Viele derjenigen, die meine Anmerkungen lesen, werden direkt an der Ausbildung und Erziehung von Soldaten beteiligt sein; daher nehme ich an, dass sie nicht erst von der Richtigkeit dieser Feststellungen überzeugt werden müssen. Das australische Beispiel liefert jedoch einen unwiderlegbaren Beweis für die Bedeutung der Aufgabe in diesem Bereich und dafür, wie schwerwiegend die Folgen für das Selbstwertgefühl einer ganzen Nation (im wahrsten Sinne des Wortes) sein können, wenn sie vernachlässigt wird.

Der Brereton-Bericht hat die Entschlossenheit von Euro-ISME gestärkt, unseren Einsatz zur Förderung der Lehre und Anwendung der Militärethik weiter zu verstärken. Die im Bericht beschriebenen Ereignisse bestätigen unsere Überzeugung, dass die Militärethik auf allen Führungsebenen, von der strategischen bis zur taktischen, von unmittelbarer Relevanz ist. Es ist uns eine Ehre, mit Ihnen in diesem Unterfangen verbunden zu sein.

John Thomas, Präsident von EuroISME

 


Webinar

Euro-ISME und das King's College London haben ein Expertenpanel eingeladen, um ethische Fragen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Brereton-Berichts zu diskutieren.
Mehr Informationen hier.


[1] https://afghanistaninquiry.defence.gov.au/sites/default/files/2020-11/IGADF-Afghanistan-Inquiry-Public-Release-Version.pdf

[2] Statement by Chief of Australian Defence Forces, 19 November 2020.

[3] Special Operations Command: Leadership and Ethics Review

 

 

 

 

 

 

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