Gewinnerin des 1. Preises
Julia Franziska Maria Böcker. "Wäre es angesichts solch 'unaussprechlicher Wahrheiten' nicht besser, sich einfach nur schweigend zu verneigen?" Fragen juristischer, politischer und ethischer Aufarbeitung des Völkermords an den Herero und Nama.
Abstract
Um Frieden und Sicherheit in einer Zeit zu garantieren, die von Fragen globalen Miteinanders bestimmt wird, ist eine Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit grundlegend. Doch während sich Deutschland seiner schwierigen, gewaltbelasteten Geschichte in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust vielfach gestellt hat, steht eine Aufarbeitung der kolonialen Geschichte noch weitgehend aus. Für meine Masterarbeit habe ich den Fokus auf die bisherigen (Um-)Wege der Aufarbeitung des kolonialen Unrechts in Bezug auf den Völkermord an den Herero und Nama im Südwesten Afrikas gerichtet. Das deutsche Kaiserreich hatte dort den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts mit bis zu 100.000 Toten verübt.
Zur Eingangsfrage: „Wäre es angesichts solcher ,unaussprechlicher Wahrheiten' nicht besser, sich einfach, still und leise zu verneigen?“ (Kora Andrieu: Sorry for the Genocide, 2009) ist meine Antwort ein eindeutiges Ja. Angesichts extremer Gewalt bis hin zum Völkermord kann eine politische Entschuldigung ein wirksames Instrument der Konflikttransformation sein, selbst wenn das Unrecht weit zurückliegt. Zu dieser Schlussfolgerung führte mich ein interdisziplinärer Zugang, der nach den historischen Grundlagen, den juristischen Zugängen, den politischen Antworten und schließlich den (friedens-) ethischen Möglichkeiten fragte. Denn bei der Aufarbeitung massiven Systemunrechts sind nicht nur juristische Fragen relevant, sondern auch friedens- und sicherheitspolitische Standpunkte angesprochen sowie friedens- und militärethische Abwägungen von Bedeutung.
Gegenwärtig führen die namibische und die deutsche Regierung Gespräche, um ihre gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten. In meinem Interview mit ihm erklärte der deutsche Sondergesandte Ruprecht Polenz, die deutsche Regierung will um Vergebung für die koloniale Gewalt bitten. Doch müssen die Opfergemeinschaften stärker in den Dialog einbezogen werden, ohne sich in nationalstaatliche Fragen einzumischen. Auch gilt es, weitere (post)-koloniale Aufgaben – wie die Rückgabe von Kunst und menschlichen Überresten, die Erinnerung im öffentlichen Raum und die Rolle von Universitäten und Museen – anzugehen.
Dann gründet in dem transformativen Potenzial einer politischen Entschuldigung als Methode der Transitional Justice die große Hoffnung, dass Versöhnungsprozesse angestoßen werden können. Kamerun wäre das nächste Land, das in einen solchen Fokus gerückt werden könnte – die Fragen stellen sich dem Einzelfall übergeordnet.
Biographie der Autorin
Julia Böcker, Jahrgang 1983, ist Historikerin, Mediatorin und Friedenserzieherin. Derzeit ist sie am Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (Zebis) in Hamburg tätig. Ihr Einsatz dort gilt dem öffentlichen und akademischen Diskurs über Sicherheitspolitik, Militärethik und Friedenserziehung.
2019 schloss sie ihr Masterstudium in Friedens- und Sicherheitsstudien am Institut für Friedensforschung und Sicherheitsstudien der Universität Hamburg ab. Ihre interdisziplinäre Masterarbeit deckte das deutsche Problem im Umgang mit kolonialen Gräueltaten auf und machte auf rechtliche, politische und ethische Fragen aufmerksam.
Während ihres Studiums der modernen Geschichte und des Völkerrechts an der Universität Freiburg sowie der Universität Basel (Schweiz) interessierte sie sich für Völkermordforschung. Sie hatte ihr Studium 2011 mit einem Master abgeschlossen. Eine besondere Erfahrung für das Leben war ein Auslandsstudienjahr an der Hebräischen Universität von Jerusalem (Israel). Von 2005 bis 2011 war sie Stipendiatin der Deutschen Studienstiftung.
Sie ist darüberhinaus eine ausgebildete Mediatorin, die eine Reihe von Schulungen in Deutschland und in den USA abgeschlossen hat. Während ihres fünfjährigen USA-Aufenthalts half bei der Streitbeilegung vor Ort im Gerichtssystem von Grand Rapids, Michigan. Nicht zuletzt erzieht sie ihre drei Kinder zu toleranten, aufgeschlossenen Weltbürgern.
Gewinnerin des 2. Preises
Louise Henton. Militärkultur und Verbrechen gegen das Menschenrecht im Irak 2003.
Hat das Militär die Lehren daraus gezogen?
Abstract
Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit die im Abu Ghraib-Gefängnis begangenen Menschenrechtsverletzungen und der Tod von Baha Mousa durch alliierte Soldaten aller Welt bekannt wurden. Trotz der offiziellen Untersuchungen zu diesen Ereignissen gab es ähnliche Wiederholungsvorfälle. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob die Militärkultur einen wesentlichen Einflussfaktor für die Begehung dieser Gräueltaten darstellte, und zwar entgegen der Erklärung durch die Militärs beider Länder, dass es sich bei den Tätern lediglich um "schwarze Schafe" gehandelt habe. Die Arbeit überprüft weiterhin die Lehren aus den jüngsten Vorfällen, um zu verstehen, warum sie wieder aufgetreten sind und was noch zu tun wäre. Unter Verwendung von Informationen aus den in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichten und Sekundärmaterial, vorwiegend von Sozialpsychologen, kommt die Arbeit zu dem Schluss, dass die Kultur sehr wohl einen Einfluss hatte und dass das Militär mehr tun könnte, um die Wahrscheinlichkeit eines derart schwerwiegenden Fehlverhaltens zu verringern. Dies beinhaltet sowohl das Erkennen des negativen Einflusses der vorherrschenden Militärkultur auf das Verhalten der Täter als auch das Implementieren von Methoden, um die Kultur zu verändern.
Biographie der Autorin
Wing Commander Louise Henton ist Personalreferentin bei der Royal Air Force und dient derzeit bei der RAF Basis Waddington in Lincolnshire. Sie trat 2001 in die Royal Air Force ein, nachdem sie an der University of Portsmouth einen Abschluss in Business Administration gemacht hatte. Ihre Verwendungen beinhalten Verwaltungs-, Personal-, Buchhaltungs-, Schulungs-, Medien-, Infrastruktur- und Planungsaufgaben. Sie war in Einheiten im gesamten Vereinigten Königreich und in Übersee tätig, unter anderem auf den Falklandinseln, im Oman und in Afghanistan. Sie wurde 2018 für das Advanced Command and Staff College an der Verteidigungsakademie des Vereinigten Königreichs ausgewählt und absolvierte in dieser Zeit einen Master in Verteidigungsstudien am Kings College London.
Preisverleihungszeremonie
Die Preisverleihung für die beste Masterarbeit 2020 wurde am Montagabend, dem 25. Mai, um 20:00 Uhr live im Streamingportal des Spurgeon's College übertragen.
Video zur Preisverleihung
Die Zeremonie wurde geleitet durch den Vorsitzenden der Jury und Dekan des Spurgeon’s College, Oberst a.D. Reverend Prof. Dr. Philip McCormack. Das Video mit einem Klick auf den roten Punkt :
Ablauf der Verleihungszeremonie
- Begrüßung durch den Vorsitzenden der Jury und Dekan des Spurgeon’s College,
Oberst a.D. Reverend Prof. Dr. Philip McCormack. - Bekanntgabe der Gewinnerin des 2. Preises
Laudatio von Jurymitglied Dr. Asta Maskaliūnaitė - Dankesworte der Gewinnerin des 2. Preises
- Bekanntgabe der Gewinnerin des 1. Preises
Laudatio Col. (ret) Rev. Prof. Dr. Philip McCormack - Dankesworte der Gewinnerin des 1. Preises
- Schlussworte des Vorsitzenden
- Vorschau : Planung für die nächste EuroISME-Jahrestagung,
EuroISME-Geschäftsführer Dr. Ted van Baarda.